
Rund 400 Menschen waren zum traditionellen Neujahrsempfang der Stadt
Würzburg am heutigen Sonntag ins Rathaus gekommen. Erstmals nach drei
Jahren begrüßte Oberbürgermeister Christian Schuchardt zusammen mit
Bürgermeister Martin Heilig die Bürgerinnen und Bürger wieder vor Ort
im Ratssaal.
Im vergangenen Jahr hätten die Themen der „großen Politik“ die
Tagesordnung in den Kommunen bestimmt, wie noch nie zuvor. So habe unter
anderem der Krieg in der Ukraine mit der größten Flüchtlingsbewegung
seit dem Zweiten Weltkrieg die Stadt Würzburg vor große und anhaltende
Herausforderungen gestellt. Innerhalb weniger Wochen wurden mehr
Unterkünfte organisiert als während der sogenannten Flüchtlingskrise
2015/16. „Das war für die Stadtverwaltung, zuvorderst das Sozialreferat
und das Amt für Zivil- und Brandschutz ein Riesenkraftakt“, so
Schuchardt. Dies konnte nur mit einer überwältigenden Hilfsbereitschaft
der Stadtgesellschaft gelingen, für die Schuchardt unendlich dankbar
ist: „Würzburg hat sich damit erneut von seiner besten Seite gezeigt,
als Stadt mit einem großen Herzen für Menschen in Not. Darauf dürfen wir
stolz sein.“

Das Thema der Unterbringung wie auch Integration der
Ukraine-Flüchtlinge werde die Stadt Würzburg mit zwei weiteren
Problemkreisen auch weiterhin beschäftigen. Durch den Krieg ist auch
deutlich geworden, wie gefährlich die Abhängigkeit Deutschlands von
russischen Energielieferungen ist. Hier gilt es, sich auf mögliche
Stromausfälle vorzubereiten.
Diese Energiekrise hat aber auch zu einem massiven Anstieg der
Energiepreise geführt. Doch keine Kommune, so Schuchardt, sei in der
Lage, die Mehrkosten für Bürgerinnen und Bürger, Vereine und soziale
Einrichtungen aufzufangen. „Hier müssen Bund und Länder für Ausgleich
sorgen – was sie bekanntlich ja auch tun“, betont Schuchardt, der auch
Mitglied des Hauptausschusses des Deutschen Städtetages ist. Eine
wichtige Entlastungsmaßnahme ist das Wohngeld-Plus, das sehr schnell
beschlossen wurde und für dessen kurzfristige Umsetzung die Kommunen
zuständig sind, was diese vor große Herausforderungen stellt. Es muss
Personal gefunden und eingearbeitet, wie auch Räume geschafft werden.

Auch sonst sind im vergangenen „Krisenjahr“ positive Akzente gesetzt
worden und die Stadtentwicklung auf ihrem guten Weg weiter
voranzubringen, so der Oberbürgermeister. Dazu gehört der Ausbau der
Wohnungsnotfallhilfe, die Einrichtung einer Wärmehalle in diesem Winter
oder der Sonderetat zur Unterstützung der freien Kulturszene. „Eine am
Menschen orientierte Kommunalpolitik muss dazu beitragen, Krisenfolgen
abzumildern, und versuchen, die Krisenresilienz der Stadtgesellschaft zu
stärken. Derzeit werde die aufsuchende Sozialarbeit ausgebaut und alle
Stand-orte der Stadtbücherei werden sukzessive zu sogenannten Dritten
Orten mit hoher Aufenthaltsqualität umgebaut.
Zur Bekämpfung der Klimakrise wurden bereits viele Maßnahmen realisiert
oder auf den Weg gebracht. Dazu gehört das integrierte
Klimaschutzkonzept, nachdem Würzburg bis 2040 klimaneutral werden soll.
Ein weiteres zentrales Handlungsfeld ist die Verkehrswende hin zu einer
nachhaltigen Mobilität. Hier wurden ein Job-Ticket und ein Bonusprogramm
eingeführt, eine Taktverdichtung der Straßenbahn sowie die zweite Stufe
des Busnetzes+ beschlossen. Und auch bei der Straßenbahn zum Hubland
sei man auf einem guten Weg.
Mit verschiedenen Projekten wie dem Handlungskonzept Wohnen oder
Lengfeld 22B trägt die Stadt dazu bei, bezahlbaren Wohnraum in Würzburg
zu schaffen. Und auch für das Faulenbergareal hat der Stadtrat einen Mix
aus Gewerbe, Kultur und Wohnen beschlossen. Im Stadtteil Hubland leben
bereits jetzt rund 2000 Menschen und werden nach Abschluss des Projektes
insgesamt etwa 5000 Menschen wohnen.
Auch wenn derzeit offen sei, wie es mit der Multifunktionsarena
weitergehe – sie wäre eine Riesenchance für Würzburg, betont der OB.
Derzeit ginge es vor allem darum, die finanzielle Lücke zu schließen
oder das Projekt fallen zu lassen. „Einfach einschlafen zu lassen, könne
man das Projekt nicht, „dafür ist das Thema als Regionalzentrum auch mir
zu wichtig“, so Schuchardt.
Eine Herausforderung seien aber die städtischen Finanzen, ähnlich wie
derzeit bei jedem privaten Haushalt: „Auch wenn wir als Stadt finanziell
noch lange nicht arm sind, ist unser Handlungsspielraum doch deutlich
kleiner geworden“, so Schuchardt. Zwar seien Würzburgs Finanzen im
vergangenen Jahr robuster als in vielen, vor allem industriegeprägten,
Kommunen gewesen. Doch den Haushalt für das laufende Jahr konnte man nur
mit Mühe ausgleichen. „Finanziell handlungs- und leistungsfähig bleiben
wir als Stadt, wenn wir den Gürtel enger schnallen“, sagte Schuchardt:
„Wir müssen uns bis auf Weiteres darauf konzentrieren, unser hohes
Leistungsniveau aufrechtzuerhalten und die begonnenen Investitionen
erfolgreich zu Ende zu bringen.“
Auch wenn Würzburg und seine Bürgerinnen und Bürger vor großen
Herausforderungen stehen, so „haben wir hier in Würzburg gute Gründe,
zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. Wir verfügen über beste
Voraussetzungen, um die anstehenden Transformationsprozesse erfolgreich
zu bewältigen – insbesondere haben wir unsere Mitbürgerinnen und
Mitbürger, die diese Stadt gestalten“, dankte Schuchardt der gesamten
Stadtgesellschaft.
Städtetagspräsident: Gemeinsamkeiten finden statt Schubladen-Denken
Dem Gastredner des Neujahrsempfangs, Markus Lewe, Präsident des
Deutschen Städtetages und Oberbürgermeister der Stadt Münster scheint
es in Würzburg zu gefallen. In seiner launigen Rede, in der er zu Anfang
beichtete, noch hier gewesen zu sein, doch unbedingt wiederkommen wolle,
nahm er die Würzburgerinnen und Würzburger gleich für sich ein. Thema
seiner Neujahrsrede war das Glück: glückliche Bürgerinnen und Bürger in
einer glücklichen Stadt: Auf der Brücke mit Blick zum „Kastell“ habe er
viele glückliche Menschen gesehen, kokettierte Lewe und ordnete sodann
Randersacker („immer Stau auf der A3“) als Teil Würzburgs ein, was ihm
teils gespielte Empörung, teils Lacher des Publikums einbrachte.
Er lebe schließlich in einer Stadt, die viel eingemeindet habe,
rechtfertigte sich der Städtetagspräsident und wünschte den
Besucherinnen und Besuchern des Neujahrsempfangs „ein glückseliges Neues
Jahr.“ „Die Kernvoraussetzung dafür ist“, so Lewe, „wie wir miteinander
umgehen und wie resilient, auch geistig resilient, unsere Gesellschaften
sind, um gemeinsam Krisenzeiten zu überstehen. Wenn sich jeder, der in
der Stadt wohne, irgendwie dazugehörig fühle, ist dies die Basis für
Resilienz.“ Dazu brauche es Aufmerksamkeit – auch für die Menschen am
Rande der Gesellschaft. Hingegen verurteilte er den „profanen
Glaubenskrieg: Wir klassifizieren in Veganer, Klimaschützer,
Vielflieger. Wir sollten diskutieren und wertschätzen, gemeinsam
entwickeln – ohne moralischen Rigorismus oder moralische Habgier“,
forderte er vehement auf. Alle seien gefordert, eine Kultur von
Vertrauen und Ehrlichkeit aufzubauen.
Würzburg bezeichnete Lewe nicht nur als „europäische Idealstadt“
aufgrund ihres Erbes, ihrer Kleinteiligkeit, ihrer Mobilitätsideen,
ihrer Integration und ihrer Struktur. Er lobte gar ihre „tolle
Radverkehrsinfrastruktur“: „Wenn wir Verkehr bündeln und Einwohnerinnen
und Einwohner ihre Wege mit dem Rad zurücklegen, können die von außen
die anderen Wege nutzen. Das macht eine Stadt glücklich.“ Eine Balance
zwischen Gemeinwohl und Handel sei gefragt: „Geld und Wert sind ein
wichtiger Unterschied. Und manchmal macht eben an einer Stelle ein Park
glücklicher als ein Parkplatz.“
„Die Wahrheit ist aber auch“, postulierte der Städtetagspräsident und
nahm damit den Faden von Würzburgs Oberbürgermeister Christian
Schuchardt auf: „Wir können nach dem 24. Februar 2022, dem Beginn des
russischen Angriffskriegs, nicht mehr so weiterleben wie zuvor.“ Zwar
würden umfangreiche Mittel des Staates in verschiedene Hilfsprojekte
gesteckt, doch diese seien endlich und gingen auf Kosten des Glücks der
Jugend. „Stattdessen“, fordert Lewe, „müssen wir jetzt in Wissen-schaft
und in Forschung investieren, damit wir dauerhaft mit modernen Formen
des Energiesparens und des Energiespeicherns leben können. Unsere
Kernhaltung muss ein Dreieck aus sozialen, ökonomischen und ökologischen
Aspekten sein und alle ansprechen. Klimathemen müssen „Stolz“-themen
werden und unsere Haltung zu Menschen in Handwerksberufen muss sich
signifikant verändern. Wer baut denn die Photovoltaikanlagen? Das zieht
die Frage nach sich, ob unser Schulsystem noch ist.“
Eine weitere Herausforderung von Städten sei die Schaffung bezahlbaren
Wohnens. „Wir müssen auch an die Mitte der Gesellschaft denken, wenn
schon Ärzte mit Kindern Schwierigkeiten haben, ein Haus zu bauen.“ Mit
den Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam hin zu einer glücklichen Stadt in
guten Wohnungen und glücklich machenden Wohngebieten, das schaffe
Vertrauen und sorge für glückliche Menschen, schloss er seine Rede im
Ratssaal der Stadt Würzburg.
Musikalisch begleitet wurde der Neujahrsempfang vom ukrainischen Chor
von Mrija e.V., der für seine Lieder aus der Ukraine viel Applaus bekam.
Nach den Reden fanden sich die Gäste noch in Wappensaal, Ratssaal und
Oberem Foyer zu Gesprächen zusammen.
Bilder
0122 NJE-45: Oberbürgermeister Christian Schuchardt beim
Neujahrsempfang. Foto: Claudia Lother
0122 NJE-48: Etwas Würzburg für zu Hause – Oberbürgermeister Christian
Schuchardt überreicht Markus Lewe, Präsident des Deutschen Städtetages,
ein Weinpräsent. Foto: Claudia Lother
NJE_23 – ian-7: Markus Lerwe, Präsident des Deutschen Städtetages.
Foto: Christian Weiß